Mandanteninformation | 30.04.25
Deutliche Erleichterung für Stifter und Begünstigte ausländischer Familienstiftungen und Familientrusts mit Sitz in einem Drittstaat
Mitteilung über die am 24. April 2025 veröffentlichten Urteile des Bundesfinanzhofs vom 3.12.2024 – IX R 31/22, IX R 32/22, IX R 15/24 und IX R 16/24 (im Wesentlichen inhaltsgleich)
Vor wenigen Tagen hat der Bundesfinanzhof (BFH) vier lang erwartete Entscheidungen zu ausländischen Familienstiftungen, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung nicht in der EU oder einem EWR-Staat, sondern einem Drittstaat wie bspw. der Schweiz, England oder den USA haben, veröffentlicht. Die Entscheidung ist von erheblicher Relevanz für die Besteuerung von Personen, die in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig und Stifter oder Begünstigte einer solchen Familienstiftung oder eines Familientrusts sind.
Einleitung
Familienstiftungen erfreuen sich nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern großer Beliebtheit, gleiches gilt insbesondere im anglo-amerikanischen Raum für Trusts. Setzen ausländische Stifter in Deutschland lebende Angehörige als Begünstigte ausländischer Familienstiftungen (Familientrusts) ein, ziehen Stifter oder Begünstigte später nach Deutschland, oder werden ausländische Familienstiftungen von bereits in Deutschland ansässigen Personen gegründet, stellen sich wichtige und oftmals schwierige steuerliche Fragen.
Auszahlungen aus ausländischen Familienstiftungen unterliegen bei den Begünstigten als Einkünfte aus Kapitalvermögen oder sonstige Einkünfte regelmäßig der Einkommensteuer. Für den Fall, dass den Begünstigten dingliche Rechte oder schuldrechtliche Ansprüche in Bezug auf Vermögen oder Erträge der Stiftung zustehen und sie daher als sog. „Zwischenberechtigte“ anzusehen sind, können Zuwendungen an sie auch zusätzlich der Schenkungsteuer unterfallen. Hoch umstritten und bislang nicht höchstrichterlich geklärt war die Frage, wie mit Einkünften einer ausländischen Familienstiftung mit Sitz und Geschäftsleitung in einem Drittstaat umzugehen ist, die noch nicht an die Begünstigten ausgeschüttet worden sind, sondern thesauriert werden. Die Finanzverwaltung will solche Einkünfte den in Deutschland unbeschränkt Steuerpflichtigen grundsätzlich zurechnen, so dass diese die Einkünfte zu versteuern haben, auch wenn Sie nie eine Auszahlung erhalten haben. Die Abschirmwirkung der Stiftung wird damit steuerlich durchbrochen. Eine im Gesetz nur für Familienstiftungen mit Geschäftsleitung oder Sitz im EU-/EWR-Ausland geregelte Ausnahme von dieser Steuerfolge wendete die Finanzverwaltung wortlautgetreu auf entsprechende Gebilde in Drittstaaten nicht an. Der BFH hingegen hat nun entschieden, dass diese Ausnahme auch im Falle von Familienstiftungen zur Anwendung kommt, da andernfalls ein Verstoß gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 63 AEUV vorläge.
Überblick über die Zurechnungsbesteuerung
Grundsätzlich gilt, dass Einkünfte ausländischer Familienstiftungen, die in ihrer Ausgestaltung inländischen Stiftungen vergleichbar sind, entweder dem Stifter, wenn er in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist, sonst den in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Personen, die bezugsberechtigt oder anfallsberechtigt sind (d.h. den Begünstigten), entsprechend ihrem Anteil nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AStG zugerechnet werden und wie Kapitaleinkünfte zu versteuern sind, unabhängig davon, ob sie Auszahlungen erhalten oder nicht. Familienstiftungen sind nach § 15 Abs. 2 AStG Stiftungen, bei denen der Stifter, seine Angehörigen und deren Abkömmlinge (ungeachtet des Umstandes, dass konkrete Ausschüttungen häufig im Ermessen der Stiftungsgremien stehen) zu mehr als der Hälfte bezugsberechtigt oder anfallsberechtigt sind. § 15 AStG und die hierzu ergangene Rechtsprechung gilt in weiten Teilen entsprechend auch für Trusts, die ihrer Zweckrichtung nach inländischen Stiftungen vergleichbar sind, was auf die meisten Trusts aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis zutrifft. Damit können sich für den im Inland ansässigen Stifter oder, wenn dieser im Ausland ansässig ist, für die im Inland ansässigen Begünstigten Steuerfolgen ergeben, obwohl sie aus der Stiftung gar keine Ausschüttungen erhalten.
Von dieser, für den Steuerpflichtigen sehr strengen Zurechnungsregelung, macht das Gesetz eine für die Praxis äußerst wichtige Ausnahme: Gem. § 15 Abs. 6 AStG entfällt die Zurechnung der Einkünfte und damit eine Besteuerung des Stifters oder Begünstigten nach § 15 AStG, wenn das Stiftungsvermögen ihrer Verfügungsmacht rechtlich und tatsächlich entzogen ist und weitgehende Auskunftsrechte zwischen Deutschland und dem Land, in dem die Stiftung ansässig ist, bestehen (insbesondere auf Grundlage des EU-Amtshilfegesetzes oder des einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommens). Dem Wortlaut der Vorschrift nach gilt die Ausnahme jedoch nur für Stiftungen mit Geschäftsleitung oder Sitz in einem EU- oder EWR-Staat.
Trotz starker Kritik an der Beschränkung der Ausnahme auf EU- und EWR-Stiftungen, hat die Finanzverwaltung in ihrem jüngsten Außensteuererlass vom 22. Dezember 2023 (BStBl. 2023 I Sondernr. 1 S. 2, Tz. 15.6.1.1) eine eindeutige Linie vertreten:
„Die Möglichkeit des Entlastungsbeweises nach § 15 Abs. 6 AStG besteht nur für Familienstiftungen mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Staat des EWR.“
Entsprechendes gilt für Trusts. Das bedeutet, dass Einkünfte von Drittstaaten-Stiftungen/-Trusts den inländischen Stiftern oder Begünstigten nach Ansicht der Finanzämter regelmäßig zuzurechnen und bei ihnen zu versteuern sind.
Zwar sind die bereits zugerechneten und von den Stiftern oder Begünstigten versteuerten Beträge im Falle einer späteren Auszahlung immerhin nicht nochmals der Einkommensteuer zu unterwerfen, § 15 Abs. 11 Satz 1 AStG, und sieht diese Vorschrift unter gewissen Voraussetzungen auch die Anrechnung bereits im Ausland gezahlter Steuern vor. Gleichwohl führt die Zurechnung zu einer äußerst belastenden „Dry-Income“ Besteuerung, wenn Stifter oder Begünstigte überhaupt keine oder nur geringe Beträge aus der Stiftung erhalten. Die Besteuerungsfolgen sind auch deshalb besonders hart, weil sich inländische Stifter und Begünstigte oft über Jahre hinweg ihrer Steuerpflicht gar nicht bewusst sind, etwa weil sie keinerlei Nutzen von dem Stiftungs-/Trustvermögen haben.
Die Entscheidungen des BFH
Überaus erfreulich ist es daher, dass der BFH in seinen nun veröffentlichten Entscheidungen zu einer schweizerischen Familienstiftung entschieden hat, dass aus Gründen der unionsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit die Ausnahmevorschrift des § 15 Abs. 6 AStG auch auf Familienstiftungen in Drittstaaten anwendbar ist. In Deutschland steuerpflichtige Stifter und Begünstigte können daher darauf hoffen, dass auch die Finanzverwaltung einlenkt und ihnen künftig Einkünfte von Drittstaaten-Familienstiftungen nicht mehr zurechnet, sofern die weiteren Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift des § 15 Abs. 6 AStG erfüllt sind. Zu diesen weiteren Voraussetzungen gehört neben den bereits erwähnten Auskunftsrechten, dass das Stiftungsvermögen den Stiftern/Begünstigten rechtlich und tatsächlich entzogen ist.
Abschließende Praxishinweise
Die Entscheidungen des BFH sind für im Inland ansässige Stifter und Begünstigte von Drittstaaten-Familienstiftungen sehr erfreulich, da sie ihnen unter den Voraussetzungen des § 15 Abs. 6 AStG die äußerst belastende Situation einer Versteuerung gar nicht bezogener Einkünfte ersparen können. Es ist zu hoffen, dass auch die Finanzverwaltung ihre Rechtsauffassung zeitnah an die Rechtsprechung des BFH anpasst.
Die Entscheidungen des BFH ändern jedoch nichts daran, dass im Inland ansässige Stifter und Begünstigte ausländischer Familienstiftungen grundsätzlich weiterhin verpflichtet sind, gesonderte Feststellungserklärungen gem. § 18 Abs. 4 AStG abzugeben. Gleiches gilt für Errichter und Begünstigte von Trusts. Erst im Rahmen des Feststellungsverfahrens prüft das Finanzamt, ob im konkreten Fall eine Zurechnung der Einkünfte ausnahmsweise gem. § 15 Abs. 6 AStG unterbleibt oder die Besteuerung möglicherweise aus anderen Gründen entfällt oder aufgrund von Anrechnungen zumindest zu reduzieren ist.
Die Besteuerung ausländischer Stiftungen und Trusts hält im Übrigen weitere hoch umstrittene ungeklärte Rechtsfragen und Abgrenzungsschwierigkeiten bereit, auf die hier im Einzelnen nicht näher eingegangen werden kann. Das gilt für Trusts umso mehr, da Trusts dem deutschen Recht fremd sind. Auch bestehen teilweise erhebliche Risiken einer Doppelbelastung mit Einkommen- und Schenkungsteuer, wie bspw. bei Auszahlungen an Begünstigte, denen dingliche Rechte oder schuldrechtliche Ansprüche in Bezug auf Vermögen oder Erträge der Stiftung zustehen, oder bei der Auflösung einer Stiftung/eines Trusts. Eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalles ist daher dringend zu empfehlen, damit etwaigen Risiken möglichst vorgebeugt werden kann, Erklärungspflichten nicht versäumt werden und ggf. unberechtigte Steuerbescheide rechtzeitig angefochten und korrigiert werden können.
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