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Umfangreiche Neuerungen im Umwandlungsgesetz und Spruchverfahrensgesetz – das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG)

Nachdem der Bundestag am 20. Januar 2023 das Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie (UmRUG) verabschiedet hat, hat am 10. Februar 2023 auch der Bundes-rat zugestimmt. Nach der Ausfertigung und Veröffentlichung am 28. Februar 2023 ist das Gesetz nunmehr in Kraft getreten. Das UmRUG setzt die Richtlinie (EU) 2019/2121 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 27. November 2019 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 in Bezug auf grenzüberschreitende Umwandlungen, Verschmelzungen und Spaltungen" (Umwandlungsrichtlinie) um. Hierdurch erfolgt eine umfassende, europarechtlich veranlasste Novellierung des deutschen Umwandlungs-rechts. Durch das Gesetz werden grenzüberschreitende Verschmelzungen, Spaltungen und Formwechsel einerseits einem rechtssicheren und europaweit kompatiblen Ver-fahren zugeführt und andererseits die Rechte von Anteilseignern, Gläubigern und Arbeitnehmern gestärkt. Zudem schafft das Gesetz Verfahrenserleichterungen, wie den grenzüberschreitenden Registervollzug sowie eine Reform des Spruchverfahrens.

I. Hintergrund: EU-Niederlassungsfreiheit und grenzüberschreitende Umwandlungen

Die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49, 54 AEUV ermöglicht es Gesellschaften in der EU, ihren Standort nach wirtschaftlichen Kriterien und ohne unverhältnismäßige Beschränkungen frei auszuwählen.

Nachdem der EuGH dieser Grundfreiheit in zahlreichen Judikaten immer mehr Raum verschafft hat und dabei klargestellt hat, dass den nach dem Recht der EU-Mitgliedsstaaten gegründeten Gesellschaften die Vorteile des Binnenmarktes ohne unverhältnismäßige Einschränkungen offenstehen müssen, ist er im Jahr 2017 in der Rechtssache Polbud sogar darüber hinausgegangen und hat geurteilt, dass EU-Unternehmen berechtigt sind, sich unter Änderung des Satzungssitzes in eine Gesellschaftsform eines anderen EU-Staates umzuwandeln, ohne dabei den (bisherigen) inländischen Verwaltungssitz aufgeben zu müssen. Damit wurde der Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit abermals ausgeweitet und den Unternehmen ein gesteigertes Maß an Mobilität eingeräumt.

Zwar stand nach dieser Entscheidung die allgemeine Zulässigkeit namentlich des grenzüberschreitenden Formwechsels fest, in Ermangelung eines EU-weiten, einheitlichen Rechtsrahmens bestanden aber bei der Umsetzung zahlreiche Rechtsunsicherheiten, die auf Ebene des nationalen Rechts mit Analogien überbrückt worden sind.

Diesen Rechtsunsicherheiten sowie Ungleichheiten bei der kombinierten Anwendung des Gesellschafts- bzw. Umwandlungsrechts mehrerer beteiligter Jurisdiktionen wollte der EU-Gesetzgeber durch den Erlass der Umwandlungsrichtlinie als Teil des sog. „Company Law Packages“ begegnen.

Das UmRUG setzt die Umwandlungsrichtlinie samt den vorstehend beschriebenen Zielsetzungen nun (wenn auch leicht verspätet) in deutsches Recht um.

Wie bei der grenzüberschreitenden Verschmelzung bleibt es jedoch dabei, dass die Vorgaben des Umwandlungsgesetzes (UmwG) nur für Maßnahmen gelten, die dem deutschen Recht unterliegen. Soweit Maßnahmen betroffenen sind, die das Recht des EU/EWR-Mitgliedstaats auf der anderen Seite regelt, findet das UmwG keine Anwendung; indes sind aufgrund der EU-Richtlinie auch in den dortigen Jurisdiktionen gleichlaufende Änderungen für grenzüberschreitende Umwandlungsmaßnahmen zu erwarten.

II. Die wesentlichen Neuerungen des UmRUG

Durch das UmRUG erfolgt erstmals eine Kodifizierung des grenzüberschreitenden Formwechsels
(§§ 333 ff. UmwG) und der grenzüberschreitenden Spaltung (§§ 320 ff. UmwG) für Kapitalgesellschaften.

Diese Rechtsinstitute werden nun in einem neuen sechsten Buch des UmwG gemeinsam mit der grenzüberschreitenden Verschmelzung gebündelt; die bisherigen Regelungen zur grenzüberschreitenden Verschmelzung (bisher §§ 122a ff. UmwG) wurden ins sechste Buch verlagert und systematisch „vor die Klammer gezogen“ (nunmehr §§ 305 ff. UmwG) – als Regelungsvorbild werden sie von den Regelungen der grenzüberschreitenden Spaltung und des Formwechsels in Bezug genommen.

Das Kernziel ist neben der Schaffung eines europaweit einheitlichen Rechtsrahmens die Verstärkung des Schutzes von bestimmten, an einem solchen Umwandlungsvorgang beteiligten Interessengruppen: Gemeint sind die Rechte von Gesellschaftern, Gläubigern und Arbeitnehmern.

1. Schutz der Gesellschafter

Das UmRUG bezweckt den Schutz der Gesellschafter, weil grenzüberschreitende Umwandlungen zu strukturellen Eingriffen in die Mitgliedschaftsrechte führen können. Die Gesellschafter sollen einerseits durch ein formalisiertes Verfahren möglichst früh über die Umwandlung informiert werden, andererseits soll die unfreiwillige Mitgliedschaft in einer Gesellschaft ausländischen Rechts verhindert werden.

Dies soll durch ein Austrittsrecht der Gesellschafter gegen angemessene Barabfindung sichergestellt werden, welches für die grenzüberschreitende Verschmelzung in § 313 UmwG geregelt wird (bislang:
§ 122i UmwG). Die Geltung des Barabfindungsangebots setzt einen Widerspruch des Anteilsinhabers gegen den Verschmelzungsbeschluss voraus und steht unter der aufschiebenden Bedingung des Wirksamwerdens der grenzüberschreitenden Verschmelzung, um keine Bindungswirkung herbeizuführen, wenn die Verschmelzung doch nicht vollzogen wird.

Das Austrittsrecht gegen Barabfindung ist über die Verweisnormen des § 327 UmwG (modifiziert) auch auf die grenzüberschreitende Spaltung und über
§ 340 UmwG auch auf den grenzüberschreitenden Formwechsel anwendbar.

Als weitere Schutzinstrumente sind Barzuzahlungen im Falle eines unangemessenen Umtauschverhältnisses vorgesehen (dies betrifft nur die grenzüberschreitende Verschmelzung und Spaltung, da die Gesellschafter insoweit nicht gegen den Verschmelzungs- bzw. Spaltungsbeschluss klagen können).

Zudem können die Gesellschaften im Zuge der Neuerungen des UmRUG nunmehr gesonderte Verschmelzungsberichte (§ 309 Abs. 3 UmwG) Spaltungsberichte (§ 324 Abs. 1 UmwG) und Formwechselberichte für die Anteilsinhaber erstellen (§§ 337 Abs. 1 UmwG).

2. Gläubigerschutz

Das besonders praxisrelevante Recht auf Sicherheitsheitsleistung der Gläubiger gelangte bereits vor dem Inkrafttreten des UmRUG über § 122j UmwG direkt oder in analoger Anwendung (so im Falle des grenzüberschreitenden Formwechsels) zur Anwendung.

Nunmehr für die Verschmelzung in § 314 UmwG geregelt, ist das Recht auf Sicherheitsleistung auch im Falle der grenzüberschreitenden Spaltung (über die Verweisnorm § 328 UmwG) und des grenzüberschreitenden Formwechsels (über § 341 Abs. 1 UmwG) gesetzlich geregelt. Danach muss den Gläubigern der übertragenden Gesellschaft Sicherheit für Forderungen geleistet werden, die vor der Bekanntmachung des Verschmelzungs-, Spaltungs- oder Formwechselplans oder seines Entwurfs entstanden sind, aber im Zeitpunkt der Bekanntmachung noch nicht fällig geworden sind, und deren Erfüllung durch den jeweiligen Umwandlungsvorgang gefährdet wird.

Anders als bisher für den Fall der grenzüberschreitenden Verschmelzung in § 122j UmwG geregelt, wonach eine Anmeldung und Glaubhaftmachung gegenüber der Gesellschaft binnen zwei Monaten ab Bekanntmachung des Planentwurfs ausreichend war, bedarf es nunmehr einer Glaubhaftmachung der Gefährdung und des Bestehens der Forderung gegenüber dem zuständigen Registergericht binnen drei Monaten ab Bekanntmachung des Verschmelzungsplans (§ 314 Abs. 2 und 3 UmwG).

Praxishinweis: Da erst nach Ablauf der Dreimonatsfrist des § 314 Abs. 3 UmwG die Anmeldung der Verschmelzung beim Registergericht vorgenommen werden kann (§ 315 Abs. 2 Nr. 2 UmwG), verlängert sich der Umwandlungsprozess im Vergleich zur alten Rechtslage um einen Monat.

Die Bestimmungen sollen dem Umstand Rechnung tragen, dass die Erfüllung von Forderungen der Gläubiger der Gesellschaft, die das Umwandlungsvorhaben vornimmt, gefährdet sein können, wenn die Gesellschaft, die für die Verbindlichkeiten haftet, nach dem Vorhaben dem Recht eines anderen Mitgliedstaats unterliegt und hierdurch der Zugriff der Gesellschaftsgläubiger auf die Gesellschaft neuer Rechtsform erschwert wird.

Für Klagen von Gesellschaftsgläubigern einer formwechselnden Gesellschaft ist zudem in § 341 Abs. 2 UmwG ein besonderer Gerichtsstand eingeführt worden. Somit verbleibt den Gläubigern die Möglichkeit, die ins EU-Ausland verzogene Gesellschaft im Inland zu verklagen. 

3. Schutz der Arbeitnehmer

Analog zur Regelung betreffend die Anteilsinhaber dürfen die Gesellschaften auch für die Arbeitnehmer gesonderte Berichte erstellen. Der Bericht für die Arbeitnehmer ist jedoch nicht erforderlich, wenn die an der Verschmelzung (bzw. Spaltung, Formwechsel) beteiligte Gesellschaft und ihre etwaigen Tochtergesellschaften keine anderen Arbeitnehmer haben als diejenigen, die dem Vertretungsorgan angehören,
§ 309 Abs. 6 Satz 3 UmwG.

Als weiteres Schutzinstrument bestehen Unterrichtungspflichten der Gesellschaft gegenüber Arbeitnehmervertretungen, die frühzeitig über die geplanten Maßnahmen informiert werden sollen.

Neue Schutzvorschriften zugunsten der Arbeitnehmer ergeben sich zudem aus einem anderen Gesetz, das auf die Umwandlungsrichtlinie zurückgeht, namentlich dem Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer bei grenzüberschreitendem Formwechsel und grenzüberschreitender Spaltung (MgFSG). Ziel ist es, vor dem Hintergrund des sehr divergierenden Niveaus der Arbeitnehmermitbestimmung in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten die Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer der sich formwechselnden oder spaltenden Gesellschaft zu sichern.

III. Vernetzung und Missbrauchskontrolle der Registergerichte sowie Neuerungen im SpruchG

1. Vernetzung der Registergerichte im In- und EU-Ausland

Als weiterer Beitrag zur Herbeiführung eines einheitlichen Rechtsrahmens wird zukünftig das Zusammenwirken der Registergerichte im In- und EU-Ausland durch ein Europäisches System der Registervernetzung sichergestellt. Über dieses System werden die Bescheinigungen über die Erfüllung der Voraussetzungen der Verschmelzung, Spaltung und des Formwechsels im Wegzugstaat an das Register des Zuzugsstaats übermittelt (§§ 318 Abs. 2 UmwG, 331 Abs. 2 UmwG und 345 Abs. 2 UmwG). Für Personengesellschaften bestehen in §§ 318 Abs. 2 und 4 UmwG Sonderregelungen.

Die Bescheinigung wird als Nachweis der ordnungsgemäßen Erledigung der vorangehenden Verfahren und Formalitäten nach dem Recht des Wegzugsstaats anerkannt. Ohne die Bescheinigung kann der grenzüberschreitende Umwandlungsvorgang nicht in das Register des Zuzugsstaats eingetragen werden.

2. Missbrauchskontrolle der Registergerichte

Einen weiteren Beitrag zum Schutz der Gläubiger- und Arbeitnehmerrechte im Falle von grenzüberschreitenden Verschmelzungen und Formwechseln stellt die neu geschaffene Missbrauchskontrolle der Registergerichte dar (§§ 316 Abs. 3, 343 Abs. 3 UmwG).

Die Registergerichte müssen insoweit prüfen, ob Anhaltspunkte für missbräuchliche oder betrügerische Zwecke vorliegen. Dies ist etwa gegeben, wenn die Umwandlungsmaßnahme dazu dient, sich in bestimmter Hinsicht dem Unionsrecht- oder dem nationalen Recht zu entziehen oder kriminelle Absichten verfolgt werden. Fällt die Missbrauchsprüfung positiv aus, lehnt das Registergericht die Eintragung ab.

Praxishinweis: Die Missbrauchskontrolle zielt insoweit klar darauf ab, eine Flucht aus der Mitbestimmung zu verhindern. Aufgrund des sehr unterschiedlichen Mitbestimmungsniveaus innerhalb Europas besteht allerdings zu befürchten, dass sich die Annahme etwaiger „Missbrauchsfälle“ häufen wird. Ferner bleibt abzuwarten, ob auch das im Rahmen von Umwandlungen in die SE oftmals verfolgte Ziel eines „Einfrierens“ der Mitbestimmung Blockaden durch das Registergericht bewirken wird, zumal auch den Gewerkschaften entsprechende Anhörungsrechte eingeräumt wurden.

3. Änderungen im Spruchverfahren

Die Neuerungen im Spruchverfahren sollen dem übergeordneten Ziel dienen, die Qualität des Spruchverfahrens zu sichern und das Verfahren im Interesse der Verfahrensbeteiligten an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit unter Wahrung ihrer Rechte zu beschleunigen.

Eine wesentliche Neuerung wird durch die neu gefassten §§ 14, 15 UmwG bzw. § 6 Abs. 1 S. 5 SpruchG begründet, wonach nunmehr auch die Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers einen Ausgleich durch bare Zuzahlung verlangen können, wenn nach ihrem Dafürhalten das Umtauschverhältnis nicht angemessen ist. Bislang stand dieses Recht lediglich den Anteilseignern des übertragenden Rechtsträgers zu. Diese Neuerung ist für die M&A-Praxis maßgeblich, weil so auf angebliche Unangemessenheit gestützte Anfechtungsklagen entfallen und die bislang vorgenommenen Vermeidungsstrategien, Anfechtungsrisiken durch eine entsprechende Strukturierung von Zusammenschlüssen zu minimieren, nunmehr obsolet wird.

Hervorzuheben ist außerdem die der Verfahrensökonomie zuträgliche neue Bestimmung des
§ 11a SpruchG, wonach die Zulässigkeit einer „mehrheitskonsensualen“ Schätzung der Kompensation durch das Gericht gesetzlich geregelt wird und einzelnen Antragsstellern somit Blockademöglichkeiten genommen werden.

Sie stellt klar, dass das Gericht im Rahmen seiner Schätzung als Indiz auch den Umstand berücksichtigen darf, dass der Antragsgegner, der gemeinsame Vertreter sowie eine weit überwiegende Mehrheit der Antragsteller eine Kompensation in einer bestimmten Höhe akzeptieren. Die Vorschrift dient der Prozessökonomie und soll das Gericht in die Lage versetzen, das Verfahren mit vertretbarem Aufwand abzuschließen, wenn ein das Verfahren beendender Vergleich an der Zustimmung einzelner Antragsteller scheitert. Dies war bis dahin in Rechtsprechung und Literatur streitig.

Weiterhin gilt im Spruchverfahren gemäß § 5a SpruchG nunmehr die Pflicht zur anwaltlichen Vertretung.

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